Gemeinden in der Zinsfalle…oder im Zinsparadies...?
Das Zinsniveau befindet sich auf historischem Tiefstand. Davon profitieren aktuell auch Gemeinden und andere kommunale Einrichtungen. Die Zinsaufwendungen für Kredite liegen im Durchschnitt deutlich unter 1%. Einige Schuldner wie z.B. die Republik Österreich aber auch einige große Städte verdienen mit dem Schuldenmachen auch Geld.
Ob von den aktuellen Negativzinsen auch alle Gemeinden profitieren werden und wenn ja, wie hoch, werden in den nächsten Monaten Gerichte entscheiden. Bekanntlich besteht der absolut zu zahlende Zinssatz aus dem Basiszinssatz und dem Aufschlag (oder auch Marge). Der Basiszinssatz ist nun seit geraumer Zeit auch beim bekanntesten Referenzsatz, dem EURIBOR, negativ; die Weitergabe des negativen Basiszinssatzes stellt aber die Ausnahme dar.
Das sind Zustände, an die vor 10 Jahren niemand auch nur annähernd zu denken wagte. Gleichzeitig sind Banken weiterhin interessiert an dem Geschäft mit Gemeinden, weil es aus der Sicht der Banken risikotechnisch und damit auch kostentechnisch lukrativ sein kann. Das führt dazu, dass Kredite aktuell billig wie noch nie sind – und dies sowohl bei variabler als auch fixer Verzinsung.
Zuschüsse übersteigen die Zinsbelastung…
Bei vielen Kreditvorhaben bestehen auch Förderungen, die sich oftmals in der Form von Zuschüssen zu den Zinszahlungen widerspiegeln und die in der Vergangenheit für die gesamte Förderlaufzeit fixiert wurden. Aus diesem Grund übersteigen aktuell bei einigen dieser geförderten Kredite die Zuschüsse die Zinsbelastungen. Diese Überschüsse stellen aktuell eine willkommene Zusatzeinnahme für Gemeinden dar, die in der Regel ins Budget laufen und zur allgemeinen Verwendung herangezogen werden. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass die Laufzeit der Zuschüsse kürzer sein kann als die Laufzeit der Kredite und dass Zinsen auch steigen können.
Können Zinsen auch steigen…und was ist billiger...?
Auch wenn es in Europa aktuell nicht so aussieht, dass das Zinsniveau zumindest am kurzen Ende der Zinskurve rasch steigen kann, ist es historisch auf alle Fälle bewiesen, dass Zinsen steigen und fallen können. Zumindest in den Vereinigten Staaten von Amerika könnten wir dieses Jahr noch eine Zinserhöhung sehen.
...die Historie sagt variabel…und Profis sagen fix...
Historische Untersuchungen belegen, dass man in den letzten Jahren mit einer variablen Verzinsung wahrscheinlich billiger gefahren ist. Aber haben Sie dabei auch das Risiko daraus, sprich das Zinsänderungsrisiko berücksichtigt? Das Management solcher Risiken hat aber in der Vergangenheit oft gelitten. Eine Voraussetzung für Risikomanagement ist jedoch, dass man die jeweiligen Risiken überhaupt erkennt.
Professionelle Marktteilnehmer, wie zB die Bundesfinanzierungsagentur der Republik Österreich oder ihr Gegenstück in der Bundesrepublik Deutschland haben den überwiegenden Großteil ihrer Schulden mit einer fixen Verzinsung ausgestattet. Deutsche Gemeinden haben rd 80 % fixe Verzinsungen.
Österreichische Gemeinden haben im Gegensatz dazu rd 75 % ihrer Verschuldung mit variablen Zinsen ausgestattet. Auch das führt aktuell zu deutlichen Minderausgaben im Gemeindebudget. Aber Hand aufs Herz, kann sich Ihre Gemeinde einen Anstieg der jährlich Zinszahlungen auf 3% oder eine Verdreifachung der aktuellen Zinsausgaben leisten?
Was soll man nun tun…?
All diese Themen beschäftigen viele Stellen in einer Gemeinde, Funktionäre wie Mitarbeiter. Erörtert man diese Fragen, stellt man fest, dass es die Themen immer komplexer werden.
- Soll ich nun eine variable Verzinsung wählen oder eine fixe?
- Was ist eigentlich das Zinsänderungsrisiko?
- Gibt es auch noch andere Risiken bei meinen Krediten?
- Was ist operationelles Risiko?
- Wähle ich einen Fixzinskredit oder ein Zinstauschgeschäft zur Absicherung meines Zinsänderungsrisikos?
- Was sagt die Gemeindeordnung?
- Gibt es für Gemeindefunktionäre auch strafrechtliche Aspekte?
- Habe ich eine durchgehende Dokumentation?
- Haben Sie noch andere Fragen?
Finanzverfassung - warum hilft mir ein Regelwerk?
Neben einer professionellen, von Anbietern unabhängigen, laufenden Beratung kann auch eine Finanzverfassung helfen, Risiken zu minimieren. Wir sehen ein Kreditportfolio ähnlich wie ein Veranlagungsportfolio. Wesentlich sind dabei folgende Punkte:
- Verstehen
- Planen
- Umsetzen
- Überprüfen
Unter einer Finanzverfassung verstehen wir ein einfaches Regelwerk, das ua folgende Punkte gewährleistet:
- freiwillige Selbstbegrenzung
- erstmalige Analyse
- laufendes Monitoring
- strukturiertes Berichtssystem
In einer Finanzverfassung sollten auch die politische und die operative Verantwortung definiert sein. Die Erstellung und die regelmäßige Überarbeitung erfolgen auf Basis aktueller Entwicklungen und wirtschaftlicher Informationen. Einzugehende Risiken wären festzulegen und die Fristenkonformität zu berücksichtigen. Die Festlegung allgemeiner Normen wie zB Kontroll- und Berichtsordnung runden den Inhalt ab.
Jede Kontrolle, die nicht dokumentiert ist, ist keine Kontrolle.